In Lübeck

Jahreshauptversammllung 2022

Ein spannendes Zwei-Tage-Format mit Bootsfahrt, ein beredter Bürgermeister, Beitragsänderungen und viele Möglichkeiten zum Nebenbei-Talk.

Endlich wieder ins Gespräch kommen - das war ein wesentliches Ziel der diesjährigen Jahreshauptversammlung des Börsenverein-Landesverbands Nord, und es wurde ganz klar erreicht. Die Vorbereitung hatte noch die frühere Geschäftsführerin Carola Markwa organisiert, konnte aber durch Corona nun erst zwei Jahre später umgesetzt werden.
Dabei ist der Landesverband auch "unterjährig" alles andere als inaktiv: 34 Veranstaltungen hat der 718 Mitglieder starke Landesverband im vergangenen Jahr angeboten, in diesem Jahr waren es 42, darunter Vertreter:innenbörsen in Bremen und Hamburg sowie neun Regionaltreffen, die alle hybrid stattfanden, die gut angenommen wurden, im Durchschnitt von 20 Teilnehmer:innen.

Sechs der zehn Regionaltreffen fanden zum Thema Entwicklung in Innenstädten statt, erläuterte Jens Finger von Hugendubel in Greifswald: In Nordenham wurde über den Einzelhandel diskutiert, in Schwerin über Mobilität, in Ahrenshoop über Kultur als Treiber, in Oldenburg und zuletzt in der Buchhandlung Erichsen und Niehrenheim in Kiel mit einem Stadtplaner zum Thema Innenstadtentwicklckung. Finger wies darauf hin, wie wesentlich die Frage für Buchhandlungen ist - "Stirb langsam oder grüne ...". Der Buchhändler selbst arbeitet in einem Ausschuss in Greifswald mit, dessen Ziel es ist, die Innenstadt wieder zu beleben: "Man muss hier etwas bewegen."

Inzwischen habe der Landesverband beim Thema Innenstadtentwicklung einen großen Informationsschatz gesammelt, den er auch weitergeben könne, damit auch von Buchhandlungen in anderen Städten das Thema angegangen wird.

"Wir wollen mit unseren Mitgliedern reden und in Kontakt bleiben", erklärte Geschäftsführer Volker Petri, der sich darüber freute, dass am Samstag viele Lübecker Buchhändler:innen mit von der Partie waren. Er informierte, dass der Landesverband seit vier Tagen auf Linked-in präsent sei, "es ist einfach wichtig, dass wir sichtbar sind. Wir müssen zeigen, dass der Buchhandel eine feste Größe ist." Petri engagiert sich zudem, die Ausbildung an Berufsschulen im Verbandsgebiet zu verbessern. Das Interesse am Buchhandel sei übrigens insgesamt gar nicht so klein: "Ich habe alle zwei Wochen einen Anruf von jemandem, der eine Buchhandlung kaufen möchte."

Landesverbandsvorsitzende Branka Felba teilte mit, dass der Länderrat am 22. September 2022 beschlossen hat, die Beitragsordnung wie auch die Beitragsstaffel des Gesamtvereins an die aktuellen Entwicklungen in der Branche anzupassen. Aber auch die Landesverbände müssen noch jenen Änderungen zustimmen. Konkret geht es darum, dass ab Beitragsgruppe 53 der Mitgliedsbeitrag individuell errechnet und linear mit dem Jahresnetto-Umsatz des Mitgliedsunternehmens wächst. Dem stimmte die Jahreshauptversammlung (zu der auch Mitglieder im Live-Stream zugeschaltet waren, die allerdings nicht abstimmen durften) einstimmig zu und beschloss zudem die Einführung einer Deckelung des Konzernnachlasses bei 30 Prozent ab 2022.

Reinhilde Ruprecht (Edition Ruprecht) stellte vom Vorstand aus Initatitiven wie den Bremer Buchhandlungspreis vor, die vor fünf Tagen bekanntgegebene Niedersächsische Buchhandlung des Jahres (die Buchhandlung am Wall in Aurich) und weitere lesefördernden Initiativen im Gebiet des LV Nord. Der Landesverband will auch künftig Geld in die Hand nehmen, um Literaturprojekte zu fördern wie die Lange Nacht der Literatur, die Bremer Büchermeile, Eine Stadt liest etc., teilte Susanne Hemming von der HGV mit.

Im Live-Stream verkündete Schatzmeister Joachim Wrensch (Buchhandlung Graff in Braunschweig) einen positiven Jahresabschluss: Man habe gut gewirtschaftet; selbstredend haben auch weniger Reisekosten und Treffen Geld gespart. Das werde zurückgestellt, um in den nächsten Jahren damit Projekte fördern zu können. Perspektivisch werde der Mitgliedsbeitrag in Zukunft schrumpfen, so dass die Geschäftsstelle nach alternativen Einnahmemöglichkeiten suche.

Die klar strukturierte Hauptversammlung stand in ihrer ruhigen Gelassenheit in spürbarem Kontrast zum Rest des Tagungsprogramms. Am Samstag konnten die Buchhändler:innen und Verleger:innen auf einer spannenden Schnitzeljagd die literarische Schatzkammer Lübeck entdecken und sich am Nachmittag in Gesprächsrunden mit Börsenverein-Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom CleffBildungsdirektorin Monika Kolb-Klausch und der stellvertretenden Justiziarin Susanne Barwick austauschen - ein Angebot, das nach Aussagen der Mitglieder gut ankam: "Das ist in der Diskussion noch mal ganz anders, als wenn man es in Newslettern liest."

Der Sonntag begann bei strahlend blauem Himmel mit einer Bootsfahrt auf der Trave und einer exklusiven Führung durch das Rathaus. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau machte das so perfekt und unterhaltsam, würzte mit Beispielen aus der Geschichte und wusste auf jede Frage eine Antwort, dass er glatt als bewanderter Stadtführer hätte durchgehen können. Mit von der Partie war auch sein Vorgänger im Bürgermeisteramt, Bernd Saxe, der selbst Verleger ist. Buchhändlerin Anja Vogel aus Reppenstedt, die die Samstagsdiskussionen, Bootsfahrt, Rathaus und die dabei entstandenen vielen Nebenbei-Gespräche absolut anregend fand, ging im vom Vorstand gewünschten Feedback auf den Gegensatz zur "eher ziemlich drögen" offiziellen Jahreshauptversammlung (bei der stimmungsgemäß prompt ein kräftiger kurzer Regen einsetzte) ein und schlug vor: "Warum also nicht 'Erst die Arbeit, dann das Vergnügen' - also die Programmpunkte umdrehen?" Ein Vorschlag, der sichtbar Zustimmung fand und vom Vorstand für das nächste Jahr mit auf die Agenda genommen wird. Wolfgang Erichsen (Buchhandlung Erichsen & Niehrenheim in Kiel) wies darauf hin, dass samstags halt auch Inhaber einer Buchhandlung oft noch im Laden stehen müssen, weshalb die Hauptversammlung sonntags durchaus Sinn mache. Summa summarum fanden die Buchhändler:innen und Verleger:innen die Erweiterung der Hauptversammlung auf zwei Tage ausnahmslos gut, sodass das Format 2023 fortgesetzt werden soll.

Text: Dr. Stefan Hauck / Börsenblatt
Originalartikel: https://www.boersenblatt.net/news/boersenverein/mehr-reden-242975